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Das Ehrenmal an der Oberurseler Christuskirche

Ehrenmal kurz nach Errichtung.

Oberurseler Ehrenmal auf einer Postkarte aus den 30er-Jahren. Foto: Sammlung Bernd Ochs.

„Den Charakter eines Volkes erkennt man daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht.“
An diesen Ausspruch von Charles de Gaulle wurden Mitglieder des Oberurseler Städtepartnerschaftsvereins erinnert, als sie im November 2008 Veteranen der französischen Partnerstadt Epinay-sur-Seine durch Oberursel führten und dabei auch am Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs am Rushmoor-Park vorbeikamen. Auf der Säule blätterte das Mosaik an allen Seiten ab. Große Löcher und stützende Metallreifen machten die Motive praktisch unkenntlich. Die Namen der Gefallenen konnten zum Teil nicht mehr entziffert werden. Davor lag – immerhin – ein frischer Kranz der Stadt Oberursel.
Ein solcher Umgang mit ihren fürs Vaterland gefallenen Mitbürgern wäre in Epinay wie in allen französischen und britischen Kommunen nicht möglich. Dort wird der Tag des Waffenstillstands am 11. November alljährlich mit feierlichen Gedenkzeremonien bedacht, selbstverständlich an einem gut erhaltenen Ehrenmal inmitten gepflegter Anlagen. Ungläubiges Erstaunen, als wir sagten, dass an diesem Tag bei uns nur der Karneval beginnt. Oberursels Ehrenmal neben der heutigen Christuskirche ging von Anfang an durch eine Leidenszeit, die offenbar noch nicht beendet ist.
Vor dem Ersten Weltkrieg nahm Oberursel einen selten gekannten Aufschwung, der alle Bereiche der Wirtschaft, der Politik und des bürgerschaftliches Zusammenlebens umfasste. Das Vereinsleben und die Kultur blühten, der Wohlstand aller Schichten wurde an meist gut ausgestatteten Häusern und einem ausgeprägten Wohlfahrtswesen deutlich, neue Firmen siedelten sich an, alte prosperierten, die Auftragslage von Handwerk, Gewerbe und Industrie war gut.
Mit dem Ausbruch des Weltkrieges im August 1914 wurde die positive Entwicklung Oberursels jäh unterbrochen. Zunächst löste das Ereignis hohe Begeisterung aus. Die wehrfähigen Söhne der Stadt zogen in der Erwartung eines großen Abenteuers und baldiger Heimkehr ins Feld. Doch die Kriegsbegeisterung ließ rasch nach, als die ersten Nachrichten von Gefallenen eintrafen und immer mehr schwer Traumatisierte von den Schlachtfeldern in Frankreich und Belgien auf Urlaub oder verwundet zurückkamen. Im September 1914 wurde in der Volksschule das erste Reservelazarett, im Oktober neben der Evangelischen Kirche an der Oberhöchstadter Straße eine Lazarettbaracke errichtet; für ein weiteres Lazarett wurde das katholische Vereinshaus requiriert. Bis zum Jahresende wurden 1.989 Verwundete in Oberursel gepflegt. 1915 musste auch die Turnhalle in ein Lazarett umgewandelt werden. Durch die Kriegsereignisse wurden 1915 die Lebensmittel knapp, ab 1916 gab es Lebensmittelkarten. Die Not nahm zu.
Zusätzlich belastet wurde die Stadt durch fast 1.000 einquartierte Flieger der sogenannten Fliegerschule der Motorenfabrik. Die Kriegsproduktion zog Arbeitskräfte in großer Zahl an. Zeitweise waren in Oberursel darüber hinaus mehr als 200 Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter interniert.
Als der Krieg im November 1918 endete, beliefen sich die von Oberursel geleisteten Kriegslasten auf mehr als 440.000 Mark.
1.600 Oberurseler zogen ins Feld, 224 fielen oder starben an den unmittelbaren Kriegsfolgen; die meisten der Gefallenen wurden in fremder Erde bestattet oder nie gefunden. Besonders für sie sollte ein Ehrenmal errichtet werden, an dem die Angehörigen ihrer in der Ferne gebliebenen Toten gedenken konnten. Schon kurz nach Kriegsende gab es Bestrebungen zur Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen. Der Ausschuss für Kriegshilfe überwies im Frühjahr 1919 der Stadt 2000 Mark zur Bildung eines entsprechenden Fonds. Seit Mitte der Zwanzigerjahre nahm die Idee konkrete Formen an. Treibende Kraft hinter der Errichtung waren Josef Füller, Oberurseler Bürgermeister von 1897 bis 1926, und der Vorsitzende des Krieger- und Militärvereins „Alemannia“, Eisenbahndirektor Karl Hille. Unter Füllers Bürgermeisterschaft hatte sich der Magistrat am 29. August 1924 mit der Errichtung eines Kriegerdenkmals befasst, ohne dass das zu konkreten Beschlüssen führte. Der Gesangverein Liederkranz versuchte dem Projekt mit einem Benefizkonzert am 4. Dezember 1927 auf die Beine zu helfen. Doch wegen schlechten Besuchs konnten statt der erwarteten 400 nur 100 Mark an die Stadtkasse übergeben werden.
Der Krieger- und Militärverein „Alemannia“ wurde Mitte 1927 wegen des Denkmals energisch beim Magistrat vorstellig. Bürgermeister Karl Horn, der 1926 die Nachfolge Füllers angetreten hatte, machte deutlich, dass der Magistrat „der Bewegung“ sympathisch gegenüberstehe, äußerte jedoch Zweifel, dass der gegenwärtige Zeitpunkt wegen der angespannten Finanzlage für „die Errichtung eines der Stadt würdigen Ehrenmals“ geeignet sei. Am 9. März 1929 gründeten auf Initiative des Vereins „Alemannia“ 27 Oberurseler Vereine, Parteien und Gesellschaften im Vereinsheim der Turngesellschaft, heute TSGO, einen „Hauptausschuss für ein Ehrenmal für die im Weltkriege gefallenen Söhne der Stadt Oberursel (Taunus)“. Hille übernahm den Vorsitz, Füller wurde Schriftführer. Bürgermeister Horn nahm an der Besprechung teil und stimmte später zu, den Ehrenvorsitz des Gremiums zu übernehmen.

Spendenaktion in schwerer Zeit
Die Kosten für die Errichtung sollten durch Spenden der Bürgerinnen und Bürger und von Firmen aufgebracht werden. Doch die Zeiten waren für Spendenaktionen äußerst ungünstig. In den Betrieben trat ab 1924 eine dramatische Verschlechterung der Auftragslage ein. Gewerkschaften und Parteien demonstrierten häufig. Französische Truppen standen bis 1928 vor den Toren des neutralisierten Oberursels. Bis zum Stierstädter Zollhaus reichte die Grenze ihrer Besatzungszone. 1929 wurde nach langem Sträuben Bommersheim eingemeindet. Die Stadt förderte den Zuzug von Neubürgern, um, wie es hieß, die allgemeinen Lasten auf eine größere Zahl von Einwohnern verteilen zu können. Der anhaltende Zuzug sorgte für große Wohnungsnot.
Im Oktober 1929 setzte mit dem Schwarzen Freitag die Weltwirtschaftskrise ein, begleitet von Unternehmenszusammenbrüchen, massiver Arbeitslosigkeit und Deflation. Dies waren denkbar schlechte Voraussetzungen für die Errichtung eines Ehrenmals und die Sammlung von Spenden unter verunsicherten oder bereits verarmten Bürgerinnen und Bürgern.
Der Ausschuss für die Errichtung des Ehrenmals machte sich dennoch unverdrossen daran, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Ausschussmitglieder gingen von Tür zu Tür. Die vier Oberurseler Schulen veranstalteten am 2. Oktober in der Turnhalle Gartenstraße, heute Korfstraße, einen Benefizabend für das Ehrenmal mit Chorgesängen, Orchestervorführungen und Rezitationen. Die Turngesellschaft glänzte mit turnerischen Vorführungen. Die Stadtverwaltung behielt sich bezüglich der äußeren Gestaltung des Ehrenmals und des zu wählenden Aufstellungsorts die Entscheidung vor, damit die Anlage ins Stadtbild passte. Einwohner Oberursels machten nach einer Ausschreibung des Ausschusses Vorschläge zur Aufstellung des Ehrenmals. Drei Plätze wurden für geeignet gehalten und auch vom Bezirkskonservator für Denkmalpflege günstig beurteilt. Es waren das Innere der im katholischen Gemeindebesitz befindliche Kreuzkapelle auf dem Oberurseler Friedhof, das Wiesental neben der Evangelischen Kirche und der Marktplatz.
Die katholische Kirchengemeinde ließ sich nicht zur Hergabe der alten Wallfahrtskapelle für den profanen Zweck bewegen, obwohl sie allmählich verfiel, vorgeblich weil dies mit den Intentionen der Stifter der Kapelle nicht in Einklang stand. Immerhin bot sie die Außenwand der Kapelle an. Der Marktplatz wurde nur als letzte Möglichkeit ins Auge gefasst, so dass der Platz neben der Evangelischen Kirche als der Beste erschien. Zu den ungewollten Zufällen gehört es, dass die Kirche 1914 an dem Tag eingeweiht worden war, an dem mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajevo der 1. Weltkrieg begonnen hatte.


Heimatloses Kunstwerk
Ursprünglich sollte die Gestaltung des Ehrenmals unter ortsansässigen und auswärtigen Bildhauern ausgeschrieben werden. Doch da ergab sich zufällig das Angebot der Frankfurter Künstlerin und Bildhauerin Lina von Schauroth, die für den Ehrenhof der Frankfurter Frauenfriedenskirche eine Mosaiksäule entworfen hatte. Die von der Bildhauerin gelieferten Entwürfe gefielen dem sehr eigenwilligen Architekten Hans Herkommer jedoch nicht. Anderen von ihm um Entwürfe gebetenen Künstlern erging es ähnlich. Die Säule kam nicht zustande, weil auch die mit Lina von Schauroth befreundete Mäzenin absprang. Einer Freundin der Künstlerin, Gräfin von Siersdorff, gelang es, dem Hauptausschuss die Ausschreibung auszureden und den Säulenentwurf von Lina von Schauroth ohne weitere Prüfung genehmigen zu lassen. Das mit der Künstlerin vereinbarte Honorar wurde vorab überwiesen, was ungewöhnlich war, aber das Projekt Mosaik letztlich rettete, weil den Oberurselern gar keine andere Wahl mehr blieb, als das bereits bezahlte Kunstwerk zu verwirklichen.
Lina von Schauroth (1874 bis 1970) war Tochter des Frankfurter Bauunternehmers Philipp Holzmann und gehörte zu den renommierten Glasmalerinnen und Mosaikkünstlerinnen ihrer Zeit. Ihre Werke schmücken unter anderem den Berliner Dom, die Frankfurter Börse und die Paulskirche. Die von ihr entworfene 8,85 Meter hohe Säule zeigt im oberen Teil eine Christusdarstellung, an der Seite die Worte „In Memoriam“, darunter die Inschrift „Den Trauernden Trost - den Toten zur Ehre - den Lebenden Mahnung - der Jugend zur Lehre“. Darunter stehen graue, fast gesichtslose Soldaten in Uniform. Die Säule steht auf einem etwa 2 Meter hohen quadratischen Block, ebenfalls mit Mosaiksteinen belegt, auf dem auf drei Seiten die Namen der 224 gefallenen oder an den unmittelbaren Kriegsfolgen verstorbenen Oberurseler stehen. Auf der Vorderseite befindet sich eine ältere Version des Oberurseler Stadtwappens mit der Aufschrift „1914 – 1918“. Auf der Rückseite der Säule ist in goldfarbenen Lettern festgehalten, wer sie finanziert hat: „Errichtet aus freiwilligen Spenden der Bürgerschaft.“
Zunächst lag auf der Säule nur eine rechteckige Platte, die aber zu wuchtig wirkte. Auf Wunsch der Künstlerin kam noch eine Kugel mit 75 Zentimetern Durchmesser aus Kupferblech hinzu, die vom Oberurseler Kupferschmied Kappus sen. aus der Ackergasse hergestellt wurde. Er berechnete dafür nur die Materialkosten. Darauf sollte nach von Schauroths Vorstellung ein Eisernes Kreuz stehen, was Bürgermeister Horn mit Hinweis auf den friedlichen Charakter des Ehrenmals ablehnte. Daraufhin schlug die Künstlerin vor, eine fast drei Meter hohe Flamme mit drei Spitzen aus der Kugel lodern zu lassen. Doch auf Intervention von Stadtbaumeister Walter Corinth blieb es im Einvernehmen mit der Künstlerin bei der im Mai 1932 fertiggestellten Kugel.
Das für das Denkmal vorgesehene Gelände gehörte zum Teil der Stadt und wurde als Kinderspielplatz benutzt. Zwei Gartengrundstücke wurden zur Erweiterung erworben. Zunächst musste das Plateau, auf dem das Ehrenmal entstehen sollte, zur so genannten Bastion aufgeschüttet werden. Der Aushub dazu kam aus dem benachbarten Eisweiher, der in das Ensemble einbezogen wurde. Die Gestaltung der gärtnerischen Anlagen übernahm nebenberuflich der von der Stadt Oberursel herangezogene Gartenbaudirektor der Stadt Frankfurt, Max Bromme. Er ließ die Außenanlagen um das Ehrenmal so anlegen, dass der Platz vor dem Denkmal auf der Bastion von 216 Hainbuchen umgeben war, eine für jeden gefallenen Mannschaftsdienstgrad, und am Denkmal acht Pyramideneichen die für die gefallenen Offiziere standen.
Bromme war von 1912 bis 1945 Gartenbaudirektor in Frankfurt und von 1932 bis 1945 auch der Direktor des Frankfurter Palmengartens. Er entwarf und plante zahlreiche Frankfurter Grünflächen, zum Beispiel Brentanopark, Lohrberg und im Frankfurter Waldstadion. In seiner Amtszeit erweiterte sich der städtische Grünflächenanteil von 200 auf 450 Hektar.
Gemäß dem Aufruf der Initiatoren vom 23. Februar 1929 sollte das Ehrenmal „als ein äußeres Zeichen der unauslöschlichen Dankbarkeit ihrer Vaterstadt, als Gedächtnisstätte an alle, welche ihr Leben für uns dahingaben, und als ernste Mahnung zur Einigkeit für alle späteren Generationen“ errichtet werden.
Die allgemeine Sammlung begann am 27. April. Fast alle Haushalte in Oberursel wurden von Mitgliedern des Hauptausschusses persönlich besucht.


Parteien desinteressiert
Die Stadtverordneten hätten bei ihrer Sitzung am 27. März 1930 dem ganzen Projekt beinahe den Garaus gemacht. Der Magistrat hatte beantragt, dass die Stadt den Platz an der evangelischen Kirche für die Errichtung des Ehrenmals zur Verfügung stellen sollte unter der Bedingung, dass das Ehrenmal dem vorgestellten Modell entspricht. Die Gartenanlagen sollten unter Berücksichtigung einiger vom Stadtbauamt gewünschten Abänderungen angelegt werden. Die Stadt wollte auf ihre Kosten die Aufschüttung des Denkmalplatzes und den Aushub der hierfür erforderlichen Erde aus dem Eisweiher übernehmen, wozu auch Dammbefestigungen und Rohrverlegungen gehörten. Der gesamte Beitrag der Stadt zum Ehrenmal sollte rund 3.100 Reichsmark betragen.
Bürgermeister Karl Horn appellierte an die Stadtverordneten, ihren Parteienstreit zu vergessen und den Magistrat nicht mit der Ablehnung des schon bald fortgeschrittenen Denkmalprojekts in Verlegenheit zu bringen. Vergeblich. Die katholische Zentrumspartei vertrat die Auffassung, das Denkmal müsse an einem stillen Platz errichtet werden, der den Angehörigen auch wirklich ein ruhiges Verweilen an dieser geweihten Stätte ermögliche. Diese Wünsche der Allgemeinheit habe man unberücksichtigt gelassen und stattdessen einen Platz ausgesucht, der am wenigsten geeignet sei. Das Wiesengelände an der evangelischen Kirche stelle gerade das Gegenteil von dem dar, was man gewünscht habe. Der geplante Entwurf, bei dem als Abschluss ein Weiher vorgesehen sei, sei nicht glücklich, denn in den Sommermonaten werde der Weiher ein Schnakennest sein, meinte Zentrumsmann Wolf. Die Gesamtkosten, die der Stadt auch durch den Ankauf weiterer Grundstücke entstünden, könne man mit 15.000 Mark beziffern. Auch wenn seine Partei eine Ehrung der gefallenen Helden des Weltkriegs befürworte, so könne sie aus finanziellen Gründen die Vorlage nicht gutheißen und wisse sich einig „mit dem größten Teil der Bevölkerung“.
Stadtverordneter Kunz von der SPD bemängelte, die Erstellung eines Ehrenmals beschäftige die Allgemeinheit nunmehr schon über eineinhalb Jahre, und jetzt komme man an die Stadt und wolle den Platz bewilligt haben. Auch die SPD wolle die Toten ehren, aber in einer anderen Form. Das Projekt, das die SPD vorgeschlagen habe, nämlich die Errichtung einer Leichenhalle, was auch von Bürgermeister Horn unterstützt worden sei, hätten andere Städte bereits. Das sei aber in Oberursel „restlos abgelehnt und entschieden zurückgewiesen worden“. Die SPD sei gegen die Errichtung jeglicher Denkmäler und eher für die Errichtung eines Hauses der Jugend, eines Stadions, eines Schwimmbads und Ähnlichem. Selbst die Stadt Limburg habe ihren gefallenen Helden zum Gedächtnis ein Haus der Jugend errichtet. Stadtverordneter Metz von den Kommunisten wies darauf hin, dass die Kommunistische Partei gegen jegliche Kriegsverherrlichung sei und glaube, dass das Geld besser verwendet werden könne, wenn es den Kriegerwaisen und -hinterbliebenen zur Unterstützung und Linderung der sozialen Not gegeben werde.


Belastung für die Stadt
Bürgermeister Horn wies auf die schwierige Lage hin, in die eine Ablehnung des Antrags den Magistrat bringen würde, weil schon erhebliche Vorleistungen getätigt seien. Wenn der Magistrat die Vorlage empfehle, geschehe das nur auf Wunsch des Ehrenmal-Ausschusses, in dem auch verschiedene Stadtverordnete vertreten seien. Der Magistrat sei ebenfalls vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Nachdem die Gebefreudigkeit der Bürgerschaft nachgelassen habe, sei man an die Stadt herangetreten. Wenn das bereits angekaufte Ehrenmal auch nicht allen Wünschen entspreche, so stelle es doch keine Verherrlichung des Krieges dar, sondern bedeute eine Mahnung und Warnung. Der Anlagegestaltung werde durch die Aufteilung des Platzes an der Evangelischen Kirche nicht vorgegriffen; durch die projektierte Anlage von Gartenbaudirektor Bromme werde das Gelände aufgeschlossen. Der Erwerb nichtstädtischer Grundstücke könnte durch Geländetausch kompensiert werden.
Horn machte deutlich, dass der Magistrat mit dem Vorschlag des Ehrenmal-Ausschusses „auch nicht ganz einverstanden sei“. Doch er wolle dem Ehrenmal-Ausschuss „unliebsame Auseinandersetzungen mit der Öffentlichkeit ersparen“.
Am Schluss der Sitzung erteilten auch die Deutschnationalen dem Projekt eine Absage.


Bürger lassen sich nicht aufhalten
Doch die Denkmalbewegung ließ sich nicht mehr aufhalten. Bei der Stadtverordnetenversammlung am 3. Juli 1930 nahm der Magistrat einen neuen Anlauf. Die Zentrumsfraktion sorgte für den Durchbruch mit einem Antrag, alle etwaigen Mehrkosten dem Hauptausschuss aufzubürden und das zum Park umzugestaltende Gelände, ebenfalls auf dessen Kosten, so zu erweitern, dass es wie von Bromme konzipiert fast den gesamten Bereich des heutigen Rushmoor-Parks umfasste. Trotzdem fiel das Parlamentsvotum mit 10 zu 9 Stimmen denkbar knapp aus.
Im Juli 1930 gab die Stadtverwaltung den Platz neben der evangelischen Kirche für das Ehrenmal frei und ließ die Anschüttungsarbeiten, die schon begonnen hatten, auf städtische Kosten ausführen. Alle weiteren Mittel sollte der Denkmal-Ausschuss bereitstellen und nachweisen. Diesen Nachweis erbrachte er durch einen von Bürgern bei Banken gezeichneten Garantiefonds, also Bürgschaften, denn im Juni fehlten zur vollständigen Fertigstellung der Anlage noch 6.500 Mark. Der Garantiefond sollte erst angetastet werden, wenn sich die Bausumme durch Spenden nicht aufbringen ließ.
Die eigentlich für den Sommer geplante Einweihung des Ehrenmals musste auf Herbst verschoben werden. Im August gab die Stadtverordnetenversammlung schließlich mit Mehrheit ihr Plazet zur Verwendung des Platzes und bewilligte die Mittel für die Erdaufschüttung. Die Maurerarbeiten wurden an die Handwerkerbaugenossenschaft vergeben, die damit die Firmen A. Henrich Wwe. und D. Centgraf beauftragte. Die hohle Eisenbetonsäule wurde von der Frankfurter Firma Franz Hof Schornstein- und Feuerungsbau hergestellt, das Mosaik von der Berliner Fachfirma Puhl, Wagner, Gottfried Heinersdorff. Im September wurden die Mosaiksteine auf der Säule aufgebracht.


Tausend Besucher bei Einweihung
Zur Einweihung des Ehrenmals am 12. Oktober 1930 kamen etwa tausend Besucher. Auf dem Platz vor dem Ehrenmal der sogenannten Bastion, konnten nur 450 Plätze für die Ehrengäste, die Ausschussmitglieder, die Kriegsbeschädigten und -veteranen von 1870/71 und für die Angehörigen der Gefallenen reserviert werden. Die Vereine wurden gebeten, nicht in Uniform zu kommen und nicht geschlossen anzumarschieren. Ab 10 Uhr strömten die Menschen heran, Vereine und Einzelne, „alle ernst blickend, viele Blumen tragend und Kränze in prachtvollen Ausstattungen“, wie der „Oberurseler Bürgerfreund“ beobachtete. 150 Sänger mehrerer Gesangvereine stellten sich unter Leitung von Chorleiter Mag vor der Kirche auf. Zu den Ehrengästen gehörten Regierungspräsident Dr. von Meister, Landrat van Erckelens, die Künstlerin Lina von Schauroth, Vertreter der Firma Puhl, Wagner, Gottfried Heinersdorff aus Berlin, der Ehrenpräsident des Krieger- und Militärvereins, Nikolaus Homm aus Frankfurt, Stadtgartendirektor Bromme und viele andere. Pünktlich um 11.15 Uhr läutete die Gedächtnisglocke der Evangelischen Kirche die Zeremonie ein. Die Musikervereinigung spielte den Choral „Jesus meine Zuversicht“. Die Sänger stimmten an „Wie sie so sanft ruhen, alle die Seligen“. „Fast kein Auge blieb tränenleer. Tief ergriffen war die Menge, kein Laut, kein Ton war zu hören, höchstens ein leises Schluchzen eines alten Mütterchens, das ihre einzige Stütze und ihren Ernährer für das Vaterland hingab,“ melden die Chronisten des „Oberurseler Bürgerfreund“. Es folgten Ansprachen der Geistlichen. Für den erkrankten katholischen Dekan Friton sprach Kaplan Wagner, der als Frontsoldat am Krieg teilgenommen hatte, für die evangelische Gemeinde Pfarrer Alexander Heß – später auch Namensgeber einer Oberurseler Straße – und für die israelitische Gemeinde Rabbiner Dr. Georg Salzberger aus Frankfurt am Main, auch ein ehemaliger Frontkämpfer.

Ehrenmal Lichtblick in dunkler Zeit
Dr. Salzberger sah für Deutschland schwere Zeiten voraus:
„Von den Toten hinweg wenden wir die Gedanken auf uns selber, ach fast alle ergreift uns tiefere und bedrückendere Trauer, wenn wir das Bild betrachten, das unser lebendes Geschlecht darbietet. Während diesem Volk in Not nichts so nottäte als Einigkeit, sehen wir es in einem Maße wie vielleicht noch nie zerrissen und zerklüftet. Partei kämpft gegen Partei, Richtung gegen Richtung, Bekenntnis gegen Bekenntnis, mit einem Hass, mit einer Missachtung wie Deutsche nie gegen Franzosen. Gräben sind gezogen zwischen Volksgenossen und Volksgenossen, breiter und tiefer als alle Schützengräben des großen Krieges. Jene wussten, wofür sie kämpften, wir wissen nicht mehr wofür wir kämpfen, kaum wofür wir leben; vor lauter Kampfgeschrei ist das Ziel, das einzig uns retten kann, ist der Friede uns nahezu entschwunden. Aber heute und hier bietet sich endlich einmal wieder ein erhebendes Bild. Gemeinsinn der Bürgerschaft einer Stadt hat trotz der Schwere der Zeit das große Opfer gebracht, um ihren gefallenen Söhnen ein würdiges Denkmal zu setzen. Mann für Mann und Frau um Frau ohne jeden Unterschied haben gewetteifert, um, was in ihren Kräften stand, zu einem Werk beizutragen, das sie nun selber nicht minder ehrt als ihre Toten. Ein Lichtblick ist's, inmitten des Dunkels, durch das wir wandern müssen, der Schimmer einer Hoffnung auf eine schönere Zukunft.“
Und dann rezitiert der Rabbiner aus dem Deutschlandlied, aber nicht aus der ersten, sondern der dritten Strophe: Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand, blüh im Glanze dieses Glückes, blühe deutsches Vaterland.
Bürgermeister Karl Horn schien sich mit dem Ehrenmal und den Umständen seines Zustandekommens versöhnt zu haben:

„Das Ehrenmal, reich an Symbolen, ist geschaffen, um den Hinterbliebenen eine Stätte zu sein, an der sie gemeinsam wie am Grabe trauernd, aber auch Frieden und Trost findend, verweilen können. In uns, die wir kämpfend am Weltkrieg teilgenommen haben oder ihn überhaupt miterlebt haben, wird das Ehrenmal stets die Erinnerung an unsere gefallenen Helden und an all das durch den Krieg sonst noch hervorgerufene Leid wachrufen. Wem dies tiefstes Erleben bedeutet, der wird es nie begreifen, dass die Auseinandersetzung unter den Völkern auf Leben oder Tod dem Sinne unseres Lebens und unserer Entwicklung entsprechen soll. Möge es uns daher gelingen, auch unsere Jugend und unsere Nachwelt davon zu überzeugen, dass wir ganz im Sinne unserer gefallenen und geopferten Helden wirken, wenn wir uns mit unserer ganzen Kraft im wahren Frieden für den gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritt einsetzen. Wer als Held aus diesem Kampf hervorgeht, hat das Motto dieses Ehrenmals begriffen und damit am meisten zur Ehrung unserer im Weltkrieg gefallenen Helden beigetragen. Wenn wir im Kampf um den wahren Frieden dem Ziele nähergekommen sind, dann wird es uns allen, besonders den Hinterbliebenen, beim Anblick des nun enthüllten Ehrenmals ein Trost sein können, dass die schweren Opfer doch nicht ganz umsonst gebracht worden sind. Und die Stadt wird das Ehrenmal erhalten, betreuen und seinen Sinn bewahren – den Trauernden zum Trost, den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung, der Jugend zur Lehre
!
Oberursels Nationalsozialisten veranstalteten unmittelbar im Anschluss an die Einweihungsfeier eine eigene Gedenkfeier am Ehrenmal. Sie marschierten begleitet von einem Trommler- und Pfeiferkorps geschlossen an, ehrten die Gefallenen, legten einen Kranz nieder, lauschten der Rede eines auswärtigen Redners, sangen das Lied vom guten Kameraden und marschierten geschlossen wieder ab. Im Stadtparlament waren sie damals noch nicht vertreten.

Am 13. April 1932 versammelte sich der Hauptausschuss zum letzten Mal im Deutschen Haus, dem heutigen Alt-Oberurseler Brauhaus. Ausschussvorsitzender Hille gab bekannt, dass das Ehrenmal nun endlich bezahlt sei. Insgesamt waren aus Spenden und dem Verkauf von Ansichtspostkarten 21.442,19 Mark eingenommen worden, davon 3.291 Mark vom Kriegerverein; ausgegeben wurden für das Denkmal einschließlich gärtnerischer Anlagen 21.362,23 Mark. Weitere 3.000 Mark stellte die Stadt durch Übernahme der Erdaufschüttungsarbeiten bereit. Hille stellte fest, dass das Denkmal nun endgültig in das Eigentum der Stadt Oberursel übergegangen
sei. Der Ausschuss hatte seine Aufgabe erfüllt und löste sich auf.

Schwere Schäden
Jahre später stellten sich am Denkmal Schäden ein. Eintretendes Wasser sorgte dafür, dass sich die Mosaiksteinchen lockerten. Mosaiksteine sieht man gewöhnlich nur an Wänden in Innenräumen. Das Besondere an der Säule war, dass sie im Freien stand. In diesem Experiment war allerdings auch schon der Verfall angelegt, denn die damals aufgetragene Beschichtung von stark kalkhaltigem Verputz und einer zementhaltigen Spachtelschicht, auf die die Mosaik-Glassteine aufgeklebt wurden, hielt dem Einbruch von Wasser und den jahreszeitlichen Temperaturwechseln nicht stand. Betonsäule, Verputz und Mosaik haben ein unterschiedliches thermisches Dehnungsverhalten. In die durch die Materialspannungen entstehenden Risse dringt Wasser in die Beschichtung ein, das bei Gefrieren im Winter das Abplatzen des Mosaiks beschleunigt.
1979/80 waren die Schäden so erheblich, dass für rund 34.000 Mark Reparaturarbeiten durchgeführt wurden, die aber keinen dauerhaften Erfolg brachten. Durch Witterungseinflüsse sowie durch den ungünstigen, von innen nach außen härteren Schichtenaufbau entstanden beträchtliche Materialspannungen, die zu großflächigen Abplatzungen des Mosaiks führten. Bürgermeister Harders stellte 1989 fest, dass der nun verstärkt mögliche Feuchtigkeitseintritt nach und nach zu einem vollständigen Verfall des Denkmals führen würde, wenn nicht kurzfristig geeignete Sanierungsmaßnahmen ergriffen würden. Eine wirklich dauerhafte Sanierung sei nur dann gewährleistet, wenn die poröse und saugfähige Schicht zwischen dem Mosaik und dem eigentlichen Säulenkern entfernt und erneuert oder nachträglich dicht und stabil ausgebildet werden könne. Diese Arbeiten erforderten einen Neuaufbau des Mosaiks vom Sockel bis zur Abdeckung.
Dies entsprach auch den Vorstellungen der Denkmalfachbehörde des Landes. Sie bestätigte der Stadt den Wert der künstlerischen Dekoration. Das Ehrenmal insgesamt wollte sie jedoch nicht mehr als Kulturdenkmal anerkennen und nahm es 1988 aus der Denkmalliste. Erst am 19. August 2010 wurde es, beflügelt durch die Diskussion um die Restaurierung, wieder als Denkmal eingestuft. Im Herbst 1995 erfolgte eine Notsicherung und Untersuchung. Bis zum Januar1997 verschlangen die seit 1980 laufenden Reparaturen fast 109.000 Mark. Nach den 1998 vorliegenden Erkenntnissen sollte eine dauerhafte Restaurierung des Ehrenmals etwa 254.000 Mark kosten. Baustadtrat Häfner forderte eine baldige Instandsetzung, um den fortschreitenden Verfall aufzuhalten. Bürgermeister Krämer wandte sich gegen Vorschläge, die Säule in einen geschlossenen Raum umzusetzen, um sie vor Witterungseinflüssen zu schützen. Das sei „undenkbar, da dies dem Charakter des Ehrenmals als freistehendem Solitär völlig widersprechen würde“. Eine von ihm 1997 gestartete Spendenaktion verlief im Sande, obwohl die in Bad Homburg ansässigen Nachfahren der Künstlerin Lina von Schauroth mit gutem Beispiel vorangingen.


Erste Spenden zur Rettung
Die Stadt ließ daraufhin prüfen, ob die Säule durch eine spiegelungsfreie Acrylglasröhre ganzjährig gegen Regen und Frost geschützt werden könnte. Als weitere Möglichkeit wurde das Eingießen des Säulenschaftes in eine mehrere Zentimeter dicke Acrylschicht erwogen nach dem Prinzip der Fliege im Bernstein. Die Oberurseler wurden aufgerufen, für die Renovierung des Denkmals zu spenden. Eine erste Spende ging von der Schwiegertochter der Künstlerin von Schauroth, Helene von Schauroth, aus Bad Homburg ein, die nach Lektüre eines Zeitungsberichts einen dreistelligen Betrag in Aussicht stellte. Bürgermeister Gerd Krämer zeigte sich „dankbar und beeindruckt“. Dass ausgerechnet die Schwiegertochter der Künstlerin mit gutem Beispiel vorangehe, mache Mut. Doch der Spendenzufluss auf die von Krämer genannten Konten hielt sich offenbar in Grenzen.
Danach zog sich die Diskussion über die Rettung über viele Jahre hin. Am 14. Februar 2008 beschloss die Stadtverordnetenversammlung auf Antrag der Oberurseler Bürgergemeinschaft (OBG), den Magistrat zu bitten, zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, das Ehrenmal rechtzeitig zum 90. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs im November 2008 vor dem Verfall zu retten. Die Ergebnisse der Prüfung sollen verbunden mit einer Empfehlung dem Bau- und Umweltausschuss zur endgültigen Beschlussfassung vorgetragen werden.
Im März 2010 meldete sich aufgrund von Berichten in der Presse Michael G. Müller, Gründer der gemeinnützigen Deutschen Organisation für Mosaikkunst e. V. aus Kerpen beim OBG-Fraktionsvorsitzenden Dr. Christoph Müllerleile und bot seine Hilfe bei der Restaurierung des Ehrenmals an. Er hatte bereits Verbindung zu Kai von Schauroth aufgenommen und zu einem Archiv in Berlin, das eventuell noch die Originalpläne haben könnte. Ein kurzer Einblick in die Bauakten im Büro des Bürgermeisters zeigte ihm später, dass auch bei der Stadt Oberursel einiges vorhanden ist.
Am 2. April fand eine Ortsbesichtigung mit Müller am Ehrenmal statt, an der neben Dr. Müllerleile, seiner Fraktionskollegin Cäcilia Bind und Fraktionsgeschäftsführer Andreas Bernhardt auch Bürgermeister Hans-Georg Brum teilnahm. Müller betonte, dass sich das Ehrenmal retten lasse, wenn auch mit hohem Aufwand. Es sei möglich, in Spezialverfahren das gesamte Mosaik von der Säule abzulösen, fehlende Mosaiksteine zu ergänzen und das Ganze wieder auf die Säule aufzutragen. Eine Spezialbeschichtung der Betonsäule könne dafür sorgen, dass das neu aufgetragene Mosaik weitere achtzig Jahre ohne große Reparaturen übersteht. Die früher aufgetragene Zementschicht habe sich als ungeeignet erwiesen, jedoch den Erkenntnissen der Zeit entsprochen. Heute sei man viel weiter. Da es kaum noch Mosaikarbeiten in der vorliegenden Form gebe, handele es sich bei dem Oberurseler Mosaik um eine seltene, erhaltenswerte Ausnahme.
Die Stadt Oberursel ließ sich von einer mit Müller verbundenen Firma ein Angebot über die Restaurierung nach dem von Müller vorgeschlagenen Verfahren geben. Das in dem Angebot beschriebene Verfahren sah vor, das Mosaik abzunehmen und nur brauchbar erscheinende bildliche und textliche Teile zu erhalten. Der Rest sollte nach Vorlage neu rekonstruiert werden und später im Mörtelklebeverfahren auf den Betonschaft der Säule aufgebracht werden. Dieser Sanierungsansatz wurde jedoch vom Landesamt für Denkmalpflege wegen der erfahrungsgemäß geringen Dauerhaftigkeit und dem Verlust des Originals abgelehnt.


Keine andere Wahl als Komplettrenovierung
Seit der Wiederaufnahme des Ehrenmals in die Denkmalliste des Landes gibt es keine Alternative zur Komplettrenovierung des Ehrenmals. Dies ist auch die zu bevorzugende Lösung, weil sie den Intentionen der vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich das Denkmal in den schweren Jahren nach 1929 buchstäblich vom Mund abgespart haben, entsprechen, den Gefallenen die gebührende Ehre erweisen und Oberursel als kunstsinnige, der Gegenwart wie der Vergangenheit verpflichtete Stadt zeigen würde, die in der Lage ist, ihre Ehrenmale als Friedensdenkmale zu erhalten. Die vollständige Restaurierung würde nach jüngsten Angeboten 170.000 Euro kosten. Dazu müssten finanzielle Beiträge vom Land, von Firmen und privaten Spendern akquiriert werden. Erfahrungsgemäß könnte hier mit größeren Spenden gerechnet werden, wenn das „Fundraising“ mit der nötigen Professionalität angegangen würde.
Am 23. August 2010 wurde von interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Initiative „Rettet das Ehrenmal“ gestartet, die bei Privatleuten und Firmen freiwillige Zuwendungen sammelte. Die Stadt soll te sich um Zuschüsse und Sponsoren bemühen. Schirmherren der Initiative wurden Kai von Schauroth, Enkel der Künstlerin Lina von Schauroth, und Oberursels ehemaliger Bürgermeister Staatssekretär a.D. Gerd Krämer. Vorsitzender wurde Pfarrer Reiner Göpfert von der evangelischen Christuskirchengemeinde, Stellvertreter Dr. Justus Förschner von der Ursella-Stiftung; Koordinator Dr. Christoph Müllerleile. Die Mittel sollten von der Ursella-Stiftung verwaltet und kontrolliert werden. Diese von der Stadtentwicklungs- und
Wirtschaftsförderungsgesellschaft (SEWO) initiierte gemeinnützige Stiftung hat den Zweck „Denkmalpflege“ in ihrer Satzung und kann entsprechend auch Spendequittungen ausstellen. Das Geld sollte nicht ins Stiftungskapital fließen, sondern in einen Sonderfonds, aus dem die Mittel nach Abzug der Kosten, die der Stiftung entstehen, vollständig abgerufen werden können.
Das Stadtparlament sprach sich am 2. September 2010 einstimmig für die vollständige Erhaltung aus und stellte für die ersten Erhaltungsmaßnahmen aus dem laufenden Haushalt 35.000 Euro bereit. Die gleiche Summe erreichte Anfang November auch die Spendensammlung bei den Bürgern. Der Magistrat beschloss am 25. Oktober, den Auftrag zur Restaurierung zu vergeben.
Den Zuschlag erhielt die Firma Matthias Steyer in Eppstein. Deren auch vom Landesdenkmalamt gebilligtes Konzept sah vor, das Mosaik in 16 Segmentflächen aufzuteilen und dann in einem Spezialsägeverfahren von der Säule zu trennen. Die Teile wurden abgenommen und in der Werkstatt restauriert. Dann wurden sie wieder angebracht. Die Fugen der Segmente blieben sichtbar.


Bevölkerung einbezogen
Am bundesweiten „Tag des offenen Denkmals“ am 12. September 2010 war das Ehrenmal unter sachkundiger Führung zu besichtigen. Am 3. Oktober 2010 zum 80. Jahrestag der Einweihung veranstaltete die Initiative „Rettet das Ehrenmal“ am Ehrenmal eine von Jutta Niesel-Heinrichs moderierte Feier, bei der die Ansprachen zur Einweihung des Ehrenmals vor achtzig Jahren in einer Szenischen Lesung nachvollzogen wurden. So traten Pfarrer, Rabbiner und Bürgermeister Horn auf, gelesen von Mitgliedern und Freunden der Initiative „Rettet das Ehrenmal“. Kai von Schauroth stellte das Leben und Wirken seiner Großmutter Lina von Schauroth vor. Angelika Rieber erinnerte an das Schicksal der jüdischen Kriegsteilnehmer. Die Sopranistin Liane Acs, Leiterin der Neuen Musikschule im Taunus, trug den Gesangsteil der vereinigten Oberurseler Chöre von damals vor. Andreas Graf spielte das „Lied vom guten Kameraden“. Für die Stadt Oberursel legten der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher Christoph Kappus und der neue Stadtkämmerer Thorsten Schorr einen Kranz nieder.

Stockender Restaurierungsverlauf
Ursprünglich sollten die Arbeiten im November 2010 beginnen. Wegen schlechten Wetters, des Wintereinbruchs und der langen Winterzeit wurde das Ehrenmal erst Anfang April 2011 eingerüstet. In der zweiten Juliwoche begannen die Arbeiten. Die Mosaikfläche wurde vermessen, und die Schnittlinien für die Einteilung in 16 Segmente wurden festgelegt. Um die segmentierten Mosaikflächen zerstörungsfrei bergen zu können, erfolgte eine maßgenaue Anfertigung von Metallrahmen für jedes Segment. Als nächster Schritt wurde das Mosaik bis auf die oberen Segmente abgesägt bzw. abgehebelt, in die Metallrahmen mit PU-Schaum-Auflage gebettet und abtransportiert.
Die Arbeiten mussten schon bald aus Sicherheitsgründen unterbrochen werden, da im oberen Teil Schwankungen der Säule zu spüren waren. Die Beendigung der Abnahmearbeiten setzte eine temporäre Sicherung der Säule über das Gerüst und Abspannungen voraus, damit die bei den Arbeiten auf die Säule wirkenden Kräfte nicht zu weiteren Schwankungen führten.
In den darauffolgenden Monaten wurden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, um die Ursachen für die Schwankungen zu ergründen. Die weiteren Sanierungsarbeiten mussten ruhen. Die Untersuchungen durch einen Statiker zeigten, dass die Säule unter Winddruck umstürzen konnte, wenn sie nicht stabilisiert wurde.
Zur Einspannung der Säule wurde das für die Abnahme der Mosaike aufgestellte Arbeitsgerüst in ein Traggerüst umgebaut. Um das Innere der hohlen Säule inspizieren zu können wurde die Kupferhaube abgenommen und ein Loch von sechzig Zentimetern Durchmesser in die darunter liegende massive Stahlbeton-Deckplatte geschnitten. Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur die Säule hohl war, sondern auch das mosaikverkleidete Postament, auf dem die Säule steht, ähnlich einem Kaminzug.


Säule steht auf festem Grund
Eine Reihe von Probebohrungen, teilweise mit endoskopischen Untersuchungen durch die Restauratorenfirma Matthias Steyer, gaben Aufschluss über Art, Zustand und Dimensionierung des inneren Aufbaus des Postaments und der Übergänge zur Säule und zum Fundament. Um eine sichere Erkenntnis über die Tragfähigkeit des Bodens und die Beschaffenheit des Fundaments zu bekommen, wurde am Fundament eine Schürfung vorgenommen. Die Experten der Stadt, der Restaurator und – nach einigem Zögern – das Landesdenkmalamt kamen zu dem Schluss, dass eine Verfüllung der Säule die größtmögliche Stabilität bringen würde. Die Untersuchungen zeigten, dass das Ehrenmal solide gegründet ist, und der Boden auch für eine das Gewicht verstärkende Säulenverfüllung ausreichend tragfähig wäre. In den innen hohlen Säulenschaft von 9,12 Metern Höhe und den Hohlbereich im Unterbau von 4,22 Metern Höhe wurde ein durchgehender Stahlstab eingebracht. Danach wurde der Hohlbereich des gemauerten Unterbaus, in dem der Stahlstab steht, von der Michelstadter Firma Bruno Marx GmbH mit fließfähigem Beton in einer genau vorgegebenen Mischung verfüllt.
Nach einem siebentägigen Erhärten des Betonkerns erfolgte das innere Betonieren des oberirdisch gemauerten Postaments. Wegen des Betonierdruckes, der den gemauerten Aufbau hätte sprengen können, waren jeweils nur vierzig Zentimeter Füllhöhe in einem Arbeitsgang möglich. Die komplette Verfüllung war nach dem Erhärten durch Kontrollbohrungen zu prüfen, vor allem am Übergang vom quadratischen Hohlbereich des Unterbaus zum Kreisquerschnitt der Säule. An dieser Stelle lag der kritischste Punkt des Ehrenmals, denn hier konnte es kippen.


Vorsichtiges Verfüllen des hohlen Säulenschafts
Es folgte das Verfüllen der Säule in Schritten von jeweils dreißig Zentimetern Höhe, um ein Sprengen der Säule durch den entstehenden Druck zu verhindern. Zur Sicherung wurden Stahlbänder in jeder Steinlage des Säulenschafts angelegt. Das Einbringen des Betons konnte abschnittsweise über Bohrlöcher erfolgen. Damit sollte verhindert werden, dass sich der Beton bei zu großer Fallhöhe entmischt. Die gesamten Verfüllarbeiten nahmen wegen der einzuhaltenden Abbindefristen mehrere Wochen in Anspruch.
Der obere, noch nicht abgenommene Teil des Mosaiks blieb an der Säule. Die Verbindung zur Säule erwies sich als sehr fest, und die Schäden waren in diesem Abschnitt gering. Die Abnahme dieser Mosaikflächen wäre wegen der großen Festigkeit sehr zeit- und kostenaufwändig gewesen.


Über 111.000 Euro Spenden
Nach ihrer Restaurierung in der Werkstatt Steyer konnten die abgenommenen Mosaiksegmente wieder in Mörteltechnik aufgebracht werden. Das ursprünglich vorgesehene Aufbringen auf Kohlefasergewebe, die rückseitige Umfassung der Segmente durch Edelstahlrahmen und deren Montage mit Ankerhaken am Säulenkern entfielen. Das sparte Kosten.
Die Finanzierung der Sicherung und Restaurierung der Säule wurde durch großzügige Spenden und öffentliche Zuwendungen gesichert. Private Spender und Firmen spendeten mehr als 111.000 Euro. Die Stadt als Eigentümerin trug mit zunächst 35.000 Euro und zahlreichen Arbeitseinheiten der städtischen Bau und Service Oberursel zur Restaurierung bei. Weitere 25.000 Euro schoss das Landesamts für Denkmalpflege zu, 15.000 Euro kamen aus Mitteln des städtischen Eigenbetriebs BSO, 20.000 Euro gab die Ursella-Stiftung, über die auch die Förderspenden abgewickelt wurden, aus eigenen Mitteln dazu.


Mosaiksäule eingeweiht
Im Rahmen einer Feierstunde wurde am Abend des 23. Juli 2014 das restaurierte Ehrenmal eingeweiht. Zugleich wurde des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren und der Opfer, die in Oberursel zu beklagen waren, gedacht. Pfarrer Reiner Göpfert, der Vorsitzende der Initiative „Rettet das Ehrenmal“, ging in seiner Ansprache auf die Umstände des Ausbruchs des Krieges und das Leben im damaligen Oberursel ein. Bürgermeister Hans-Georg Brum nahm sich in seinem Beitrag die Errichtung des Ehrenmals um 1930 vor. Stadtverodnetenvorsteher Dr. Christoph Müllerleile eröffnete die Feier, nachdem das Jugendstreichorchester der Musikschule Oberursel musikalisch in die mit siebzig Personen recht gut besuchte Feier eingestimmt hatte.

Namen der Gefallenen werden restauriert

Im Oktober 2017 begannen die Restaurierungsarbeiten am Sockel des Ehrenmals mit den Namen der Gefallenen. Mosaikexperte Klaus-Peter Dyroff aus Schmiedeberg in Sachsen und Tochter Anna reinigten und konservierten den Sockel. Die Arbeiten wurden 2018 abgeschlossen.

Die Namen der Verstorbenen
Die Namen der auf dem Ehrenmal gewürdigten Gefallenen oder durch unmittelbare Kriegseinwirkungen Verstorbenen:
Philipp Adrian, Karl Auth, Jakob Bär, August Baldes, Friedrich Becker, Karl Beil, August Beilke, Heinrich Bender, Karl Berger, Heinrich Best, Robert Biela, Johann Bingsohn, Johann Birnbickel, Paul Blumenhagen, Paul Borlinghaus, Jakob Brandscheid, Georg Brass, Karl Braun, Friedrich Brüderle, Erich Bühner, Lorenz Burkard, Christian Burkart, Wilhelm Clemens, Karl Dessauer, Gustav Diehl, Amandus Ditzel, Lorenz Döll, Johann Dorsch, Georg Drechsler, Ignatz Eckert, Wilhelm Eddigehausen, Wilhelm Elsenheimer, Franz Ernst, Jakob Escher, Johann Eurich, Franz Feyrer, Peter Fick, Heinrich Fischer, Karl Fischer, Johann Föh, Gottfried Füller, Eduard Gärtner, Franz Gärtner, August Geistler, Peter Glock, Anton Goeke, Johann Grosch, Eduard Haas, Wilhelm Hager, Johann I. Halm, Johann II. Halm, Georg Haub, Philipp Haub, Anton Heck, Heinrich Heilbronn, Christian Heilmann, Wilhelm Heilmann, Karl Hein, Heinrich Heinrich, Wilhelm Heller, August Helmer, Rudolph Henkel, Henrich. Philipp, Otto Hepp, Ernst Herget, Eugen Herget, Josef Herget, Johannes Hess, Walther Hess, Johannes Hieronymi, Josef Hieronymi, Gottfried Höck, Reinhold Högg, Ernst Höhn, Karl Hof, Siegfried Hoffbauer, Heinrich Hohmann, Friedrich Holzapfel, Peter Homm, Andreas Jahn, Heinrich Jamin, Jakob Janz, Wilhelm Jlmstadt, Georg Jung, Karl Junk, Franz Kärtner, Wilhelm Kamm, Nikolaus Kamper, Heinrich Kappus, Heinrich Karg, Adolf Kegler, Ferdinand Kessler, Karl Kilb, Friedrich Kircher, Nikolaus Kirsch, Gregor Knüttel, Franz Körner, Kurt Konopach, Ernst Korf, Karl Koschel, Heinrich Koscziuch, Leo Kremer, Hermann Kriehn, Georg Kron, Heinrich Kuhn, Friedrich Kunz, Georg Kunz, Josef Kunz, Karl Lang, Paul Lange, Konstantin I. Leser, Konstantin II. Leser, Moritz Leser, Anton Limbach, Georg Loipesberger, Friedrich Lorenzen, Georg Lotz, Karl Machenheimer, Heinrich Mager, Anton Mann, Johann Mann, Philipp Marquardt, Konrad Marx, Christian Mehl, August Melcher, Peter Merx, Eduard Messerschmidt, Heinrich Messerschmidt, Johann Michel, Karl Michel, Max Michel, Andreas Müller, Georg Müller, Richard Müller, Heinrich Neidig, Albert Norgall, Emil Otterbein, Stephan Palczewski, Heinrich Pappert, Fritz Pauly, Hermann Plassberg, Fritz Platzer, Erich Petri, Gustav Ponick, Heinrich Preusch, Heinrich Proffert, Ludwig Radgen, Franz Rauch, Christian Rauck, Wilhelm Riegel, Adolf Röhm, Wilhelm Rossbach, Karl Rückert, Franz Rümler, Johann Ruppel, Alois Sabel, Friedrich Sabel, Jakob Schäfer, Josef Schäfer, Philipp Schäfer, Eberhard Scheurer, Heinrich Schildt, Nikolaus I. Schlegel, Nikolaus II. Schlegel, Robert Schleußner, Ernst Schmidt, Ferdinand Schmidt, Jean Schmidt, Karl Schmidt, Anton Schmitt, Karl Schnurrel, Valentin Schrauth, Heinrich Schreiber, Leonhard Schreiber, Jakob Schuckard, Ludwig Schultheis, Georg Schuy, Wilhelm Schuy, August Schwartzkopff, Johann Schweitzer, Albert Seeger, Georg Sehl, Karl Sehl, Konrad Sehl, Max Sehl, Karl Seng, Bernhard Simon, Heinrich Simon, Enrico Spamer, Georg Steden, Jakob Steden, Philipp Steden, Nikolaus Steier, Karl Steiger, Heinrich Steinmeyer, Otto Streck, Wilhelm Streck, Victor Tauber, Josef Ternes, Willi Thiemke, Kurt Thomas, Adolf Tschirner, Ferdinand Weber, Gottfried Weber, Karl Weber, August Wehrheim, Franz Weiand, Philipp Weiler, Friedrich Wiedle, Jakob Wiegand, Karl Wiegand, Friedrich Wisler, Nikolaus Willigens, David Wolf, Ferdiannd Wolf, Johann Wolf, Walther Wolff, August Zenkert, Johann Zinßer, Friedrich Zinsmeister, Otto Zipp, Friedrich Zuber, Josef Zuber, Johannes Zweifel.


An der Gründung des „Hauptausschuss für ein Ehrenmal für die im Weltkriege gefallenen Söhne der Stadt Oberursel (Taunus)“ am 9. März 1929 waren beteiligt:
Krieger- und Militärverein Alemannia, Fußartillerieverein 3, Deutscher Offiziersbund, Reichsverband der Ruhebeamten, Evangelischer Arbeiterverein, Verein Frohsinn, Schützenverein, Werkmeisterverein, Freiwillige Feuerwehr, Turngesellschaft, Ortsbauernschaft, Freiwillige Sanitätskolonne, Handwerker- und Gewerbeverein, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Vaterländischer Frauenverein, Katholisch-Kaufmännischer Verein, Katholischer Gesellenverein, Katholischer Kirchenchor, Turnverein 1861, Wanderklub, Gesangverein Harmonie, Reichsbund der Kriegsbeschädigten, Sportklub 1911, Taunusklub, Jugendherbergsverband, Sozialdemokratische Partei, Zentrumspartei.


Quellen:

Stadtarchiv Oberursel, Akte III,60, Stadtbauamt, Errichtung eines Ehrenmals für die Gefallenen des 1. Wk. an der evangelischen Christuskirche, 1924 – 1938.
Stadtarchiv Oberursel, Stichwortsammlung Ehrenmal an der Christuskirche.
Stadtarchiv Oberursel, Jahrgänge „Oberurseler Bürgerfreund“ 1929 – 1932.
Foto- und Postkartensammlung Bernd Ochs, Oberursel.
Angelika Baeumerth: Oberursel am Taunus: Eine Stadtgeschichte. Frankfurt am Main; Kramer 1991.

Dr. Christoph Müllerleile Stand 10. Juni 2019
Einweihung Ehrenmal Das Ehrenmal bei der Einweihung am 23. Juli 2014. Foto: Jutta Niesel-Heinrichs